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Denk an die anderen! Konzert im Rahmen der Interkulturellen Wochen

Unter dem Motto "Wir bauen Brücken" lud der Freundeskreis der Mühlheimer Flüchtlinge e.V. am Sonntagnachmittag zu einem Konzert im Rahmen der Interkulturellen Wochen ein. Schülerinnen und Schüler der Städtischen Musikschule Mühlheim am Main gestalteten den Nachmittag im bis auf den letzten Platz besetzten Kirchenraum der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Mühlheim/Markwald.

Wir bauen Brücken_15.9.2024

Zwischen den musikalischen Beiträgen trugen Mühlheimerinnen und Mühlheimer Gedichte ihrer Heimatländer in türkischer, arabischer und persischer Sprache vor.

Der Leiter der Musikschule Boris Kottmann begrüßte die Gäste mit Verweis auf die besondere Kraft der Kunstform Musik, Menschen und Kulturen einander näher zu bringen. Bürgermeister Dr. Alexander Krey, der die Schirmherrschaft des Konzertes inne hat, ging in seinem Grußwort auf das Motto des Nachmittags und speziell auf die Arbeit des Vereins ein, indem er Brückenbau nicht nur metaphorisch, sondern auch praktisch durch tätige gegenseitige Hilfe und Austausch verstanden wissen wollte.

Malina Raab eröffnete das Konzert auf dem Flügel mit einem stimmungsvollen Seebären-Shanty von Karin Groß in eingängigem 6/8-Rhythmus, der zum Mitwippen einlud.
Im Anschluss spielte Alina Trageser das kleine Klavierstück Wishful von Daniel Hellbach mit schöner Melodieführung in der linken Hand. Beide Mädchen sind Schülerinnen von Margit Göbel.

Als jüngste Teilnehmerin des Konzerts trat Tiara Zalaghi aus der Klavierklasse von Jolante Ilkow auf. Sicher und mit Ausdruck hörte das Publikum anspruchsvolle Bearbeitungen von Frédéric Chopins berühmtem "Valse Le Mineur" in a-Moll und das ebenso bekannte "Summertime" aus der Oper Porgy und Bess von George Gershwin.

Rasant ging es weiter mit dem Klavierduo Liona Ratuschny und Minh-Anh Nguyen aus der Klavierklasse Annette Schneider. Zwei spanische Tänze von Valenthin Engel wurden mit entsprechend energisch-strengem Temperament vierhändig vorgetragen.
Minh-Anh Nguyen spielte anschließend das nach wie vor beliebte "River flows in you" von Yiruma sehr gefühlvoll in einer gekürzten Fassung.

Nach dieser musikalischen Eröffnung traten Özlem und Haydar Dogun nach vorne und lasen zeilenweise abwechselnd ein Gedicht von Nazım Hikmet vor. Darin beschreibt der Dichter die Schönheit des noch unbefahrenen Meeres, die Schönheit des noch unerwachsenen Kindes, die Schönheit der noch nicht gelebten Tage, die Schönheit der noch nicht gesprochenen Worte, schlicht die Schönheit der verheißungsvoll unverbrauchten Zukunft.

Weiter ging es im Programm mit Helena Vogel und Vera Brödder, die ein klassisches Menuett aus dem Konzert in B-Dur für zwei Klarinetten von Carl Stamitz mit viel Verständnis für Tempo, Stilistik und Zusammenspiel musizierten. Den Orchesterpart übernahm mit gewohnter Souveränität ihr Lehrer Markus Hoßner am Flügel.

Der Gitarrist Cedric Sebastian der Klasse von Bernd Maier folgte mit einer bekannten spanischen Volksweise "El Testament d'Amelia" in der Bearbeitung von Miguel Llobet. Ebenso gefühlvoll, aber nicht sentimental, interpretierte er das romantische kurze Präludium "Lágrima"- Die Träne von Francisco Tárrega. Der spanische Komponist wurde vor allem mit seinen "Recuerdos de la Alhambra", den Erinnerungen an die arabische Festung Alhambra im andalusischen Granada weltberühmt. Als letztes Stück spielte Cedric Sebastian die Volksweise "Go from my window" eines anonymen Zeitgenossen von John Dowland, das die Unmöglichkeit einer Beziehung besingt.

Der Vorsitzende des Fördervereins für die Flüchtlingsarbeit Bernd Klotz führte ein in den nächsten Textbeitrag. Er stammt von Mahmoud Darwish, dem bedeutendsten arabisch-palästinensischen Dichter der lyrischen Moderne. Ahmad Tekko las das Gedicht "Denk an die anderen" auf Arabisch, Bernd Klotz übersetzte. Es beschwört mit einfachen Worten dringlich die Ethik der Mitmenschlichkeit, der Solidarität mit allen Geschöpfen und der Erde. Unsere alltäglichen Handlungen sollen uns daran erinnern, dass es Menschen (und Tiere) gibt, die keinen Alltag, sondern nur existenzielle Not kennen.
Für diese sollen wir eine Kerze in der Dunkelheit sein.

Passend zur Atmosphäre der gehörten Worte erklang das Notturno op.54 aus den Lyrischen Stücken von Edvard Grieg, gespielt von Malin Jatzko. Die Schülerin von Jolante Ilkow führte das Publikum durch eine mystische Nachtlandschaft, durchzogen von Nachtigallschlägen und Echorufen. Das technisch anspruchsvolle Stück in den immer drängender werdenden Melodiepassagen im Gegenrhythmus zur synkopierten 9/8-Begleitung spielte sie mit großer agogischer Musikalität.

Salome Wagner aus derselben Klavierklasse erfreute das Publikum mit einem pittoresken Lyrischen Walzer aus Tanz der Puppen Nr.1. 
Das scheinbar naiv-sorglose Kreisen der Melodie kann dennoch nicht die bittere Tragik kaschieren, die in der Begleitung anklingt, vor allem wenn man bedenkt, unter welch repressiven Bedingungen Schostakowitsch in der ehemaligen Sowjetunion komponieren musste. 

Ein weiterer Höhepunkt des Nachmittags war der Auftritt des jungen Pianisten Lukas Hartmann. Der Schüler von Alice Köszegi öffnete mit seiner Interpretation des Nocturne in cis-Moll von Frédéric Chopin den Raum in eine utopische Klangwelt. Das melancholische Thema und die folgenden Passagen spielte er mit natürlich empfundener Organik und großer Freiheit im Ausdruck. 

Vor dem letzten musikalischen Programmpunkt las die Lyrikerin Roya Sharifi selbst eines ihrer Gedichte. In prosodisch vorgetragenen Versen berichtet das lyrische Ich von dem eingeschränkten Leben als Frau in Afghanistan; hier ist der verbliebene Aktionsradius auf den Raum einer Küche geschrumpft. 

Zum Abschluss dankte Boris Kottmann der Pfarrerin Annika Theophil und der Bonhoeffergemeinde für Bereitstellung ihrer schönen Räume. Er verabschiedete die Gäste und Teilnehmenden des Konzerts mit der Ankündigung des letzten Klavierstücks, brilliant gespielt von Salome Wagner. Aus den Jahreszeiten op.37 Nr.4 von Peter Tschaikowsky erklang "Der April", als zartes Zwiegespräch komponiert, das an Tempo und Dynamik nach und nach zunimmt, symbolhaft Aufbruch und Hoffnung vermittelnd.
Mit viel Applaus schloss die Veranstaltung unter dem Eindruck der lebendigen Kraft der Kunst.

Annette Schneider